Landgericht Köln verbietet Judentum in Deutschland

27. Juni 2012


„SuR_LK“ kennt sich aus: „Die Beschneidung einfach verschieben und zum Volljährigkeitsritual machen, Problem gelöst, zusätzlich kann jeder selbst entscheiden ob er mag oder nicht.“, so setzt sie/er es keck in die Kommentarbox eines Die Zeit-Artikels zum Beschneidungs-Urteil des Landgerichts Köln. „Später kann jeder junge Mann für sich selbst entscheiden, ob er sich aus religiösen oder anderen Gründen beschneiden lassen will“, pflichtet „noprincess“ ihr/ihm bei.

Das Problem ist nun nicht, dass anonyme Kommentatoren im Internet so zum Thema Beschneidung stehen, sondern dass ein deutsches Gericht dieselbe Haltung einnimmt, wenn es die Religionsfreiheit der Eltern als für „nicht unzumutbar beeinträchtigt“ ansieht, wenn diese künftig (gemäß Beschluss) warten müssen, „ob sich das Kind später selbst für eine Beschneidung entscheidet“.

Es geht in dem Fall, den das Landgericht Köln zu beurteilen hatte, zwar nicht um eine Beschneidung eines Juden, doch muss dieses Urteil ja auch auf das Judentum (als Religion, insoweit mithin als Gegenstand der Religionsfreiheit) übertragbar sein, ebenso die Argumentation, also die Auffassung, dass die Religionsfreiheit der Eltern „nicht unzumutbar beeinträchtigt“ sei, wenn sie keine Beschneidung bei ihrem Kind durchführen lassen dürfen. Ich weiß nicht, ob dem Gericht die Tragweite des Urteils klar ist, ich gehe aber davon aus, dass man sich vor dem Beschluss entsprechend informiert hat über die Bedeutung der Beschneidung in den betroffenen Religionsgemeinschaften. Zum Beispiel über die Bedeutung der Beschneidung im Judentum.

Umso erstaunlicher ist dieser Beschluss, wird doch damit das Judentum selbst unter Strafe gestellt. Für Juden ist es nämlich keineswegs egal, wann die Beschneidung erfolgt. Männliche Juden sollen beschnitten werden, „sobald sie acht Tage alt sind“ (Gen 17, 12). Die (religiöse) Bedeutung einer späteren Beschneidung im entscheidungsfähigen Alter ist also keinesfalls die gleiche wie die einer (nach jüdischem Verständnis) vorschriftsmäßigen Beschneidung als Baby, die das Gericht aber gerade für eine strafbare Handlung (Körperverletzung) hält.

Die einschlägige Stelle in der Genesis macht deutlich, welche Brisanz die Sache für Juden hat: „Und Gott sprach zu Abraham: Du aber halte meinen Bund, du und deine Nachkommen, Generation um Generation. Das ist mein Bund zwischen mir und euch samt deinen Nachkommen, den ihr halten sollt: Alles, was männlich ist unter euch, muss beschnitten werden. Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch. Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld von irgendeinem Fremden erworben, der nicht von dir abstammt. Beschnitten muss sein der in deinem Haus Geborene und der um Geld Erworbene. So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein. Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden. Er hat meinen Bund gebrochen.“ (Gen 17, 9-14)

Wer sich nicht beschneiden lässt bzw. wer nicht dafür sorgt, dass seine männlichen Nachkommen nach Gen 17, 12 ordnungsgemäß beschnitten werden, hat – nach jüdischem Verständnis – den Bund mit Gott gebrochen und wird für andere Juden untragbar. Damit kommt das Beschneidungsverbot für Juden einem vollständigen Religionsausübungsverbot gleich, denn die jüdische Religion ist ohne „Bund mit Gott“ und ohne die Identifikation mit dem „Stammesverband“ nicht denkbar. In der Konsequenz stellt das Landgericht Köln also nicht die Beschneidung als traditionelles, im Grunde aber lässliches „Ritual“ unter Strafe, sondern einen ganz wesentlichen Aspekt der jüdischen Identität, ohne den es schlicht und einfach nicht möglich ist, Jude zu sein. Das Landgericht Köln verbietet mit seinem Urteil in letzter Konsequenz das Judentum selbst. In Deutschland. Das sollte man wissen, bevor man das Urteil „fortschrittlich“ nennt.

(Josef Bordat)

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