EU-Parlament fordert allgemeines Tötungsrecht

10. März 2015


Ein schwarzer Tag für das Leben.

Das Europäische Parlament hat sich in einer Entschließung mit deutlicher Mehrheit für ein „Menschenrecht auf Abtreibung“ ausgesprochen. Abtreibung beinhaltet wesentlich die Tötung menschlichen Lebens. Es gibt schlicht und einfach kein Recht, grundsätzlich und ohne Beachtung des Einzelfalls menschliches Leben zu töten. Schon gar kein Menschenrecht. Genau das aber behauptet das Europäische Parlament in seiner Entschließung. Es könnte sein, dass es damit seine Kompetenzen überschritten hat.

Denn die Frage lautet: Kann es in Angelegenheiten von Leben und Tod überhaupt die Möglichkeit geben, verbindliche parlamentarische Entscheidung zu treffen? Liegt dabei nicht grundsätzlich eine „Machtüberschreitung von Parlamenten“ vor (so Papst Johannes Paul II. mit Blick auf gesetzliche Regelungen zur Abtreibung)? Mit seinem Einwand markiert Johannes Paul II. die Grenzen dessen, was überhaupt Gegenstand konventionalistischer Prozesse, was res publica, also „öffentliche Angelegenheit“ sein kann.

Dazu ist jedoch zweierlei zu bedenken: (1) Gesetze und andere Entscheidungen des Staates in seinen drei Gewalten wirken sich immer (zumindest mittelbar) auf die Lebenswirklichkeit von Menschen aus, manchmal eben auch auf ihr Leben selbst, können es verlängern oder verkürzen. Die Unmittelbarkeit der Frage „Leben oder Tod?“ einer Entscheidung zur Abtreibung stellt also nur einen quantitativen, keinen qualitativen Unterschied dar. Auch jede Änderung des Hartz IV-Regelsatzes kann Folgen haben, die für Betroffene von existenzieller Bedeutung sind. (2) Es muss rechtlich geregelt werden, was wissenschaftlich und technisch machbar ist. Der Wissenschaft (scientia) muss das Gewissen (con-scientia) als Reglement mit-gegeben werden, damit bewusste und verantwortungsbewusste Forschung gelingen und eine gute medizinische Versorgung gewährleistet werden kann. Entscheiden heißt immer auch unterscheiden, nämlich zwischen dem, was machbar ist, und dem, was tatsächlich gemacht werden sollte. Dieser normative Akt fällt in seiner Allgemeinheit hierzulande und in Europa nun mal den Parlamenten zu.

Andererseits gibt es Fragen, über die auch eine 99-Prozent-Mehrheit nicht in ihrem Sinne befinden darf. Das deutsche Grundgesetz selbst nennt sie: die Menschenwürde (Artikel 1, 1 GG) und die grundlegenden freiheitlich-demokratischen Verfassungsprinzipien (Artikel 20, 1-3 GG: Demokratie, Sozialstaatlichkeit, Föderalismus, Volkssouveränität, Gewaltenteilung). Diese Ingredienzien unseres Gemeinwesens gelten bei uns als „unabänderlich“ (Artikel 79, 3 GG) und dürfen sogar mit Gewalt verteidigt werden (Artikel 20, 4 GG). Und das menschliche Leben, das ja nun Grundvoraussetzung für alles weitere ist, etwa dafür, als Mensch Würde zu genießen – soll dessen unbedingter Schutz nicht auch dem Entscheidungsrahmen der Abgeordneten entzogen werden?

Auch, wenn man das aus den beiden oben genannten Gründen (Abgrenzungsproblem und Regelungsdruck) verneint, muss man schließlich eines bedenken: Keine parlamentarische Entscheidung enthebt den einzelnen Bürger vom höchstpersönlichen Gewissensgebrauch. Und: Parlamente mögen im Bereich von Leben und Tod auch dort Rechte verleihen, wo es keine Rechte geben kann, doch niemals sind damit Pflichten verknüpft, die stärker binden als das eigene Gewissen. Anders ginge es auch gar nicht, denn das Gewissen des Einzelnen ist (und bleibt) frei. Diese Freiheit darf der Bürger gegenüber jedem Gesetz zur Geltung bringen, auch, wenn es sich dabei um ein „Menschenrecht“ handelt.

(Josef Bordat)

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